Humorwerkstatt
Ausgangspunkt der Betrachtung
Wenngleich man Humor nicht konstruieren kann, anhand bestimmter Regeln, so kann man doch solche aus bestehenden humoristischen Gestaltungen (Text und Bild) ableiten. Mich hat einfach die Frage interessiert, ob ich anhand meiner Humorgedichte bestimmte, für mich humortypische, Regeln ableiten kann - als Ergänzung zum Kapitel "Humortheorie". Insofern befinden wir uns hier in einer Werkstatt, in der mit bestimmten Werkzeugen und Vorgehensweisen Humorgedichte gestaltet werden - sozusagen ein Blick über die Schultern des Handwerkers. Nicht mehr und nicht weniger.
Im Grunde geht es hier darum, ausgehend von einem zusammengesetzten Wort (oder mehreren Einzelwörtern), durch Verdrehen der Wortanfangsbuchstaben oder Verbildlichung der Einzelwörter neue Worte zu bilden und somit den Sinnzusammenhang völlig zu verdrehen. Davon ausgehend oder darüber hinaus ist der künstlerischen Gestaltung bzw. der Kombination von Worten und Buchstaben und den zugehörigen Sinnverdrehungen kaum eine Grenze gesetzt - vor allem, wenn zum Wort noch das Bild kommt oder das Bild durch das Wort "humorisiert" wird.
Letztlich gilt: Man muss Humorist sein, um humoristisch zu gestalten. Dies ist nicht lehrbar. Man kann es nicht studieren, man muss es in sich tragen.
In aller Regel sind bei den im Folgenden gezeigten Humorgestaltungen Bilder (Wort-Illustrationen) als Ausdrucksverstärker notwenig.
Zusammengesetzte Wörter - Buchstabentausch
Der Ansatz besteht hier darin zusammengesetzte Wörter zu zerlegen und die Elemente neu zu mischen. Der Kunstgriff ist der Austausch der Anfangsbuchstaben der Teilwörter.
1) "Nase" und "Bein" wird zu "Base" und "Nein", "B,b" und "N,n" werden vertauscht
"Es ähneln sich im Nasenbein
Nicht meine Basen. Nein!"
3) Eine einfache Vertauschung von "N" und "s,S"
"Sehr schmerzhaft ist der Nierenstein.
Zu Stieren sagt man selten: Nein!"
2) Ähnliches geschieht hier mit "K,k" und "M,m"
"Schon hab ich einen Magenkrampf
Sobald ich meinen Kragen mampf."
3) Oder eine einfache Worttrennung (mit wechselnder Groß-/Kleinschreibung i/I und s/s
"Insekten sind meist nicht in Sekten."
Nicht sinnverwandte Reimwörter
Hier nimmt man Wörter, die sich reimen, jedes in einem Satz in seinen typischen Sinnkontext gestellt. Beide Sätze zusammengestellt ergeben dann einen Humorkontext.
"Von Puten isst man Fleisch.
Bei Fluten hilft der Deich."
"Als ich zu einer Ampel musste
Dort jemand eine Pampel muste."
Ein weiteres Beispiel zeigt die Illustration rechts.
Gleicher Anfangsbuchstabe
Man kann nun auch den Versuch unternehmen, alle Wörter eines Textes mit dem gleichen Anfangsbuchstaben beginnen zu lassen ...
"Franz flötet famos.
Gerlinde gärtnert gern.
Heinrich hortet haufenweise Heu.
Alarmierte Armeen Abmarsch abwarten.
Astronaut altert aufbrechend 'ad astra'. (zu den Sternen)
Pinguine packen Pakete polarregional.
Pingelige Paketpacker packen prüfend Pakete."
Genauso gut kann man die Reihung mehrerer Anfangsbuchstaben kombinieren:
"Belagerte Burg bestürmt von vogelfreien Vagabunden.
Schweinehirten scheren Schafe, Schafhirten beobachten Begebnis besorgt."
Wortvariationen
An den Türen zu Räumen, die nicht von jedem betreten werden sollen, sieht man oft Schilder mit der Aufschrift: "Zutritt für Unbefugte verboten!"
Wirkt bedrohlich!
Spielt man frei mit den zugrundeliegenden Wörten, sieht das anders aus - es ergeben sich hierdurch zum Beispiel die folgenden Variationen (der Sinn der Aussagen sei mal dahingestellt):
- "Den Boten zu treten ist unbefugt!"
- "Beim Zutritt zu fugen ist verboten!"
- "Unbefugte Boten sind zu treten!"
- "Treten in die Fugen des Boten."
- "Unfug folgt des Boten Zutritt!"
- "Des Boten Tritt ist zu befugen!"
Wortzusammensetzungen I
Worte sind ja häufig Zusammensetzungen anderer Worte, entweder zweier Hauptworte, wie z.B. in "Eisenbahn", "Waldweg" oder "Kirchturm".
Es gibt daneben auch Kombinationen aus Eigenschaftswörtern und Hauptwörtern, wie "Grünspan", "Weißkohl" usf.
Zu dieser Gruppe gehört auch die Wortzusammensetzung "Sauerkraut" - das Kraut, das sauer ist oder sauer schmeckt.
Trennt man nun die Zusammensetzung nicht in "Sauer" und "Kraut", sondern schiebt die Trennline um zwei Buchstaben nach links, so erhält man die beiden Teilworte "Sau" und "erkraut".
Tauscht man das "k" gegen ein "g" so hat man schon einen fast vollständigen Satz: "Sau ergraut".
Nun ist die Frage, wobei bzw. wodurch die "Sau ergraut" - hier gehen wir dann einfach wieder zum Ursprungswort "Sauerkraut" zurück und erhalten folgenden sehr aufschlußreichen Satz:
"Durch Sauerkraut die Sau ergraut."
Inwieweit dies tatsächlich zutrifft, müsste natürlich noch erforscht werden ...
Weitere Varianten wären hier:
"Die Sau, die kaut auf Sauerkraut, ergraut."
"Es graut der Sau vor Sauerkraut."
(wobei wir hier uns wieder in die Richtung der "Wortvariationen" bewegen)
Wortzusammensetzungen II
Es gibt Wortzusammensetzungen, die neben dem, was sie eigentlich ausdrücken sollen, noch so etwas wie einen "verborgenen Sinn" haben, der sich aufgrund der Doppelbedeutung eines der beiden Wortteile ergibt. Nehmen wir das zusammengesetzte Wort "Störfall", so denkt jeder direkt an eine Havarie in einem Kernkraftwerk, also den eingetretenen "Fall" einer "Störung". Man sagt in diesem Falle jedoch nicht, wie es hier richtiger, weil eindeutiger wäre: "Störungsfall".
Nein, "Störung" wird verkürzt zu "Stör" und eben durch diese nachlässige, unbedachte Verkürzung schlägt dann sozusagen der humoristische Erkenntnisblitz ein:
Denn "Stör" bezeichnet zufälligerweise auch noch einen Fisch und "Fall" kann sich auch auf den Vorgang des "Fallen" beziehen, wodurch sich in der Folge dann die seltsamsten Gedankenspielereien ergeben können (wie in der folgenden Illustration gezeigt).
Groß- und Kleinschreibung
Ein ganz seltener Glückstreffer oder Glücksgriff ergibt sich, wenn man Sätze findet, bei denen durch einfaches Variieren der Groß- und Kleinschreibung bei in der Regel zwei Wörtern sich ein völlig anderer Sinnzusammenhang oder Ausdruck ergibt, wie im Folgenden gezeigt wird...
Man braucht als Ausdrucksverstärker hier natürlich ein Bild, das die äußerst feine Nuance durch das Wortbild in ihrer Tragweite zeigt. Liest man nur die Texte, könnte man im zweiten dargestellten Falle ja auch einfach einen Rechtschreibfehler - "sieben" anstatt "Sieben" - vermuten. Hier haben wir eines der seltenen Wörter, bei dem durch Änderung des Anfangsbuchstabens (Groß- oder Kleinbuchstabe) die Bedeutungswendung sich vollzieht.
Einmal aktives Tun: "sieben", das andere Mal die Zahl der handelnden Personen: "Sieben".
Also die einfache Umwandlung von "g" in "G" und "S" in "s" wirkt die Wandlung, die Sinnverdrehung!
Buchstabenergänzung
Eine weitere und bei weitem noch seltenere Möglichkeit ein Wort in einen anderen Zusammenhang zu transformieren besteht darin, einfach einen Buchstaben zu ergänzen.
Im vorliegenden Falle am Anfang des Wortes, wodurch der "Tempelritter" zum "Stempelritter" wird (wie die folgende Illustration es anschaulich darstellt).
Weitere Beispiele:
S + Tau = Stau
S + Tier = Stier
Buchstabendrehung
Ganz verrückt wird es in dem Fall (mir ist kein zweiter bekannt), in dem man den ersten Buchstaben eines Wortes vertikal spiegelt (oben und unten vertauscht) und somit ein anderes Wort erhält. Die Wortart kann sich hierbei wandeln, macht aber nichts.
Wichtig ist nur: beide Worte unterscheiden sich lediglich im Anfangsbuchstaben und Drehung des Anfangsbuchstabens des ersten Wortes ergibt exakt den Anfangsbuchstaben des zweiten Wortes. Und dieser Kunstgriff bewirkt hier geradezu eine Wesenswandlung!
Voila!
Hauptwort-Verb-Verdrehung I
In einem Satz gibt es in der Regel eine handelnde Person (Subjekt) und ihre Tätigkeit (Prädikat) an oder mit einem Gegenstand (Objekt).
Einfach gesagt: Man tut etwas mit Irgendwas. Das Tuwort (Verb) beschreibt die Tätigkeit des Hauptwortes, bzw. der damit verknüpften Person, Tieres oder Gegenstandes.Nun kann man die Wortarten ineinander umwandeln, d.h. Hauptwörter können in Tuwörter umgewandelt werden bzw. tragen ein solches als Möglichkeit in oder mit sich.
Solche Paarungen wären z.B. "Lesung" und "lesen" bzw. "Buchung" und "buchen". Desweiteren "Buch" und "lesen" bzw. "Musik" und "hören".Es ergeben sich seltsamste, aber im Grunde doch zumindest mögliche Kontextverschiebungen.
Beispiele dieser Art zu finden ist sehr schwierig, weil sie extrem selten sind ...
Im Beispiel rechts könnten natürlich beide Tätigkeiten auch in einer Person zusammenlaufen, die Buchhalter(in) ist und sich zugleich für Literatur interessiert.
Hauptwort-Verb-Verdrehung II
Die hier gezeigte Verdrehung oder Kontextverschiebung funktioniert erst seit kurzer Zeit, ebenso lange wie es das Hörbuch gibt, das ja kein Buch im eigentlichen Sinne ist. Doch, sei's drum!
Buchstabenentfernung
Es gibt nun noch eine spezielle Variante, die ich aus eigener Beobachtung abgeleitet habe, also nicht durch Wortspielerei. Die zugrundeliegende Beobachtung war die Folgende:
Oftmals stehen Menschen, geradezu starr im Raume, diesen zunächst überblickend, so wie ein Raubvogel, der über Wiesen und Feldern kreist und nach Beute späht ...
Diese Menschen haben etwas Gruseliges, fast roboterhaftes an sich in dieser ersten Spähphase zumindest. Doch dann kommt der entscheidende Auslösemoment, der all ihrer Aufmerksamkeit fesselt, auf genau dieses Ereignis fokussiert.
Zum Beispiel, wenn jemand innerhalb des Spähblick-Feldes in sein Auto einsteigen will, seine Wohnungstür öffnet oder was auch immer (die Art der Tätigkeit ist egal, man muss nur Irgendetwas tun!), trifft ihn die ganze Intensität und Intention des Blickes.
Das spürt man sehr deutlich, wie einen Energiestoß durch einen engen Kanal. Man fragt sich dann unwillkürlich: "Mache ich was falsch?" oder "Was?".
Natürlich liegt dem Verhalten des "Spähers" keinerlei böswillige Absicht zu Grunde. Es sind meist Rentner, nach meiner Erfahrung, die ihren Erlebnishunger stillen bzw. die mit ihrem Dasein verknüpfte Erfahrungsarmut füttern möchten.
Und hier empfindet das Opfer den intensiven, fast lähmenden Blick als "Anstarren".
Von hier aus ist es nicht mehr weit zum "Wortbild" des "Star" und dem "angestart" werden.
Das zusätzliche bzw. fehlende "r" macht den Unterschied!
P.S. Angestart worden bin ich, meines Wissens, nie - angestarrt jedoch sehr oft!
Wortbilder
Viele, vor allem zusammengesetzte Wörter, haben, eben durch den Zusammenklang beider Worte, einen hohen Bildgehalt. Es ist wie mit dem Wasserstoff und dem Sauerstoff, die im Zusammenwirken, zusammengesetzt, ein Wassermolekül bilden, also etwas, das über ihre Einzelexistenz hinaus geht.
Nun ist dieser Bildgehalt natürlich nicht in abstrakten Begriffen oder Wortbildungen, wie "Raumzeit" oder "Weltgeist" gegeben.
Es bedarf hier Wörtern, die konkrete Dinge oder Gegenstände bezeichnen.
Dann ergibt sich ein Wortbild oder Bildwort - ein Wort, das bildlich dargestellt werden kann oder ein Bild, das auf zusammengesetzten Wörtern beruht. Auch Redewendungen oder Sprichwörter sind hier geeignet.